Menschen neigen sehr stark dazu Heuristiken zu bilden. Sie nutzen einfache Faustregeln um komplexe Sachverhalte zu bewerten. Unangenehm wird es dann, wenn sie auf dieser Grundlage das Handeln von anderen schlechtreden.
Ein Beispiel, wenn es um Aktien geht, ist die Effizienzmarkthypothese, die gerne für die Aussage missbraucht wird, dass alle Informationen zu einem Unternehmen bereits in dessen Aktienkurs eingepreist sind und es daher unmöglich wäre, “schlauer” als der Markt zu sein. Das ist eine sehr bequeme Aussage, die ETF-Jünger Gebetsmühlenartig wiederholen und das wäre auch gar kein Problem, wenn es nicht häufig in arrogantem Gerede enden würde. Es ist ein klassisches Totschlagargument, das man allerdings ohne weiteres zerlegen kann und daran versuchen wir uns heute.
Richtig ist, dass der Kurs einer Aktie den Marktteilnehmern wichtige Informationen liefert. Preise haben in einer Marktwirtschaft, bzw. im menschlichen Handeln verschiedene Funktionen, z. B. eine Informationsfunktion. Sie informieren uns darüber, wie knapp oder wertvoll ein Gut ist. Die Beurteilung, wie wertvoll etwas ist, ist jedoch sehr subjektiv. Wären wir eine Gesellschaft von Robotern gäbe es sicher geringe, bis gar keine Abweichungen bei der Beurteilung von Werten, aber wir sind nunmal keine Roboter.
“Aktive Anleger können den Markt nicht schlagen!”
Die Frage ist hier, wen man mit aktiven Anlegern meint. Meist vergleicht man die Wertentwicklung von Fonds und Privatanlegern mit dem jeweiligen Index und in diesen Fällen stimmt die Aussage sogar. Allerdings ist es eine komplett andere Aussage, als zu behaupten, dass aktive Anleger den Markt nicht (dauerhaft) schlagen könnten.
Nicht jeder kann ein exzellenter Fußballer, Kraftsportler, Marketingexperte oder Literaturkritiker werden. Es wäre vermessen zu glauben, dass einen die Lektüre eines Buches in die Lage versetzt ein Superinvestor zu werden. Genau wie ein Fußballer, der nur gut schießen kann oder nur die Spielzüge perfekt kennt, noch lange kein überdurchschnittlich guter Spieler ist, so ist auch jemand, der ein super System zur Aktienanlage besitzt noch lange kein überdurchschnittlich guter Investor. Disziplin, Demut, Skepsis, der Wille zur Weiterbildung, Kontrolle über die eigenen Emotionen, gegen den Strom schwimmen können und viele weitere Attribute sind notwendige Voraussetzungen.
Aktien auswählen ist genau wie andere Dinge kein Hexenwerk, aber da es um Geld geht siegt oft die eigene Hybris. Kein Mensch würde nach der Lektüre eines Buchs von einem Profifußballer auch nur im entferntesten denken, er wäre nun ein überdurchschnittlicher Fußballer. Dahingegen denken viele, nachdem sie ein Buch über die Levermann-Strategie gelesen haben, sie könnten nun eine Überrendite erzielen und das ist natürlich Quatsch.
“Es gibt keine Informationsvorteile, ist doch alles schon eingepreist!”
Das ist natürlich keine besonders intelligente Aussage, also differenzieren wir mal ein bisschen!
Nehmen wir einfach mal den schlimmsten Fall an und akzeptieren, dass es keine Informationsvorteile gibt. Dennoch gilt:
- Jeder Marktteilnehmer geht unterschiedlich mit Informationen um! Einige Investoren sind sogar dazu gezwungen entgegen der Information zu handeln. Viele Fonds orientieren sich an bestimmten Volatilitätsrichtlinien, vor allem Fonds, die der Altersvorsorge dienen. Das bedeutet, dass bei starken Ausschlägen sehr mächtige Marktteilnehmer das Feld räumen, anstatt nachzukaufen, auch wenn sich fundamental nichts geändert hat. Fonds müssen sich rechtfertigen und es ist schwer in einem solchen Umfeld gegen den Strom zu schwimmen.
- Jeder Marktteilnehmer hat ein anderes Ziel! Viele große Fonds und Abermillionen von Privatanlegern folgen beispielsweise der Dividendenstrategie und wollen garnicht die maximale Rendite erreichen, sondern regelmäßige Ausschüttungen in einem bestimmten Prozentbereich. Andere setzen auf extrem sichere, aber unrentablere Unternehmen oder auf Penny-Stocks. Dieses Wirrwar an Gründen, dass am Ende zu Aktienkursen führt, macht es durchaus für versierte Anleger möglich, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Unternehmen zu finden, die sich langfristig besser entwickeln, als der Markt.
- Jeder Marktteilnehmer wertet Informationen unterschiedlich aus! Es zählt nicht nur die Verfügbarkeit einer Information, sondern auch ihre Auffindbarkeit und Analyse. Ein Investor, der mehr Wissen und ein besseres Mindset, als der durchschnittliche Marktteilnehmer besitzt, wird die Informationen sowohl besser auswerten, als auch bessere Entscheidungen treffen und schlussendlich bessere Ergebnisse erzielen.
- Das Handeln der Marktteilnehmer wird stark beeinflusst! Ein gutes Beispiel ist die Dotcom-Blase. Menschen folgen häufig Trends und ignorieren Informationen bzw. können diese nicht einordnen. Herdentrieb ist das Stichwort. Die Notenbankpolitik der letzten Jahre hat unvorstellbare Geldströme an die Kapitalmärkte gespült und es gibt viele weitere Beispiele, die belegen, dass Märkte, zumindest kurzfristig, alles andere als effizient sind.
- Es gibt Tausende Unternehmen, die zu klein sind um Privatanlegern oder Fondmanagern ins Auge zu fallen oder um in sie investieren zu können! Ein schönes Beispiel hat mein geschätzter Kollege Seeking Value vor kurzem auf seinem Blog veröffentlicht: Educational Development Corp – Deutsch
Eine ganz schöne, wenn auch sehr rudimentäre Übersicht über den Einfluss einfacher Kennzahlen auf die Rendite, gab uns der Hamsterradblog letztes Jahr: Sind Kennzahlen sinnvoll und welche DAX Aktien würde Warren Buffett kaufen?
Warum ich dennoch für ETF-Sparpläne bin
Aus meiner Argumentation geht hervor, dass es möglich ist den Markt zu schlagen und nicht, dass es leicht wäre. Es ist ebenso wenig leicht ein guter Boxer zu werden. Ich persönlich investiere in ETF, wenn auch nicht in dauerhafte Sparpläne. Ich kaufe, wenn etwas günstig ist. Bewegen sich DAX, NASDAQ und Co. oberhalb ihres historischen Durchschnitts ist die Chance auf eine langfristige Überrendite höchst gering, daher warte ich, denn in der Regel gibt es immer irgendwo einen Index, eine Branche oder eine Einzelaktie, die aktuell interessant ist. Stefan hat meine Einstellung vor kurzem sehr schön auf den Punkt gebracht:
Für jeden, der sich nicht täglich mit diesem ganzen Finanzzirkus auseinandersetzen möchte, gibt es allerdings langfristig keine überlegenere Art zu investieren, als mit einem konstanten ETF-Sparplan. Wer es etwas fortgeschrittener mag, der orientiert sich bei seinen ETF-Investments an rudimentären Kennzahlen wie dem KGV und investiert nicht in Zeiten von Höchstständen. Ich würde liebend gern ein Argument hören, warum es sinnvoll sein soll, einen ETF auf US-Aktien zu kaufen, wenn der Markt ein KGV von >26 aufweist. Schreibt es mir in die Kommentare! 🙂
Trotz allem gelten die Glaubenssätze der ETF-Grundlagenliteratur selbstverständlich für den absoluten Großteil der Anleger, die wohl besser beim Finanzwesir aufgehoben sind, als bei mir.
Ich schließe mit den Worten von Robert J. Shiller (Ja, der mit dem Shiller-KGV!) :
“It should be obvious to the most casual and unsophisticated observer by volatility arguments like those made here that the efficient markets model must be wrong … The failure of the efficient markets model is thus so dramatic that it would seem impossible to attribute the failure to such things as data errors, price index problems, or changes in tax law.”
Da mich interessiert, wie meine Leser vorgehen, würde es mich freuen, wenn ihr an dieser Abstimmung teilnehmen würdet! 🙂
Buchempfehlungen zum Thema:
1. Für diejenigen, die schon leicht fortgeschritten sind und sich etwas intensiver mit den verschiedenen Konzepten des Value Investing befassen möchten.
2. Für Anfänger sehr gut geeignet, weil hier Grundlagen der Bilanzierung und Unternehmenskennzahlen ganz wunderbar erklärt werden. Von der Umsetzung der Levermann-Strategie rate ich jedoch entschieden ab!
3. Die ETF-Bibel! Wer in einem Buch alles wesentliche über Indexfonds erfahren möchte, kommt an diesem Schinken nicht vorbei. Achtung, keine leichte Kost!
4. Wer es leichter verdaulich mag wird beim Finanzwesir fündig. Praktikabler kann man sich kaum über den Vermögensaufbau belesen.
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Martin
4 Mrz 2017Hallo,
schöner Artikel. Auch ich glaube nicht an die Hypothese. Ich selber habe auch einen Artikel darüber geschrieben. Ich bin da etwas anders rangegangen, kann dir aber in allen Punkten nur zustimmen.
Mein Artikel zur Kritik an der Hypothese findet man auf http://www.der-kapitalist.net/markteffizienzhypothese-weshalb-ich-nicht-an-sie-glaube/
Ferhat
4 Mrz 2017Hi Jasper,
Ich habe einen ganz ähnlichen Artikel vor, auch wenn ich von einer leicht anderen Perspektive rangehen wollte. Aber den Artikel habe ich eh auf unbestimmte Zeit verschoben, gibt genug anderes zur Zeit in meinem Leben… 😀
Ansonsten hervorragend erklärt. Ich stimme dir übrigens auf jeden Fall zu. Der Markt ist nicht effizient. Und das hat viele Gründe… Was ich aber wie du am Kritischsten sehe, ist die Rolle der Anhänger dieser Hypothese, die aktives Anlegen als reines Glücksspiel ansehen.
Vielen Dank für den tollen Beitrag.
Alles Gute,
Ferhat
wimi
3 Mrz 2017Was hälst du von Index-ETF, die einer Strategie folgen, z.B auf den msci World Value?
Mein Fazit: Value Strategie für wenig Arbeit, Ter je nach Anbieter um 0.25 und Breite Diversifizierung.
JasperQuast
9 Mrz 2017Das lässt sich so pauschal nicht sagen, welche Kriterien werden denn dort geprüft vor dem Kauf?
42
3 Mrz 2017Interessante Perspektive, entspannt präsentiert. Gefällt mir sehr gut. Ich selber investiere hauptsächlich in internationale Dividendenaktien, vor allem, weil ich den regelmäßigen Cash Flow attraktiv finde. Die Frage, wie und wann man seine Rendite/Dividende haben möchte, wird m.E. von ETF-Jüngern oft als drittrangig eingestuft. Für mich ist sie zentral. Ich stimme dir auch darin zu, dass die Efficient Market Theory mindestens fragwürdig ist. Ich glaube sie gefällt vielen, weil sie einen Schlussstrich zieht und das Finanzgeschehen griffiger macht. Besonders Ingenieure und Naturwissenschaftler scheint sie anzusprechen. Ich sehe in den Märkten und im Leben insgesamt wahnsinnig viel Unsinn und mehr Psychologie als Homo oeconomicus…
JasperQuast
9 Mrz 2017Schöne Worte, die ich widerspruchslos unterschreiben kann! 🙂
Was die Auszahlung angeht habe ich gemischte Gefühle, ich präferiere es keine Steuern zu zahlen, aber das Glucksefühl, wenn eine Dividende auf dem Konto eintrudelt möchte ich ebenfalls nicht missen.
Bankenmärchen
1 Mrz 2017Sehr interessanter Beitrag! Ich mag kontroverse Thesen. Ich selber investiere konsequent in ETFs via Sparplan. Ungeachtet der historischen Höchststände oder vom KGV. Und das aus einem ganze einfachen Grund: Ich weiß nicht was geschehen wird. Niemand weiß es. Klar sind die Wahrscheinlichkeiten geringer, dass die Kurse weiter steigen, wenn sie sich über ihren historischen Höchstständen befinden. Aber ich traue mir nicht zu, diese Wahrscheinlichkeiten einzuschätzen. Und daher nehme ich mich selbst aus der Gleichung und baue darauf, dass der Markt sich selbst richtet und in 20 Jahren höher steht als heute. 🙂
Alex
2 Mrz 2017Sehe ich ähnlich. Ergänzend: Bleibt das niedrige Zinsniveau, reichen geringere Renditen und dann steigen auch die durchschnittlichen KGV (weiter).
Jens
2 Mrz 2017Sehe ich genauso! Leider ist die Welt nicht so einfach, dass man aufs KGV schaut und dann weiß was zu tun ist…
Stefan Meisel
1 Mrz 2017Schöner Artikel, Jasper!
AnlageKAP
1 Mrz 2017Bei der ersten Abstimmung fehlt mir multiple Choice 😉
Ich kaufe Einzelaktien und ETF! (Sparpläne und zusätzliche Käufe)
Ich kaufe Einzelaktien für Rendite und Spaß, den Markt zu schlagen ist sekundär! (“Dividendenaktien”)
Ich investiere stur monatlich in meine Sparpläne, die Kurse sind mir egal! (ETF World/EM Sparplan, paar Aktiensparpläne)